Den Fahrausweis freiwillig abgeben, einen Vorsorgeauftrag erstellen, Immobilien an die Kinder übertragen oder wenn es mit der Hygiene nicht mehr richtig klappt – es gibt viele Themen, die nicht leicht anzusprechen sind. Kommt hinzu, dass die Situation mit den Eltern schon bereits herausfordernd genug ist, wenn diese schwierigen Themen auf den Tisch kommen.
Wie steigt man am besten in ein Tabuthema ein? Wie verhindern Sie, in ein Wespennest zu stechen? Wir haben mit Martina Bürki, Transaktionsanalytikerin und Expertin für zwischenmenschliche Kommunikation gesprochen und ihre wertvollsten Tipps zusammengefasst.
«Falls Sie mehrere Dinge besprechen wollen, portionieren Sie die Gespräche und Themen.»

Martina Bürki, Expertin für zwischenmenschliche Kommunikation, gibt Tipps, wie auch schwierige Themen angesprochen werden können.
So besprechen Sie erfolgreich in 5 Schritten ein Tabuthema
1) Einstieg vorbereiten
Wenn Sie ein schwieriges Thema ansprechen wollen, seien Sie sich bewusst, dass das Thema in diesem Moment nicht unbedingt in den Gedanken Ihrer Mutter oder Ihres Vaters präsent sein muss. Deshalb ist der Einstieg besonders wichtig. Bereiten Sie diesen vor, überlegen Sie eine passende und gut verständliche Formulierung.
Mögliche Einstiegssätze:
«Ich möchte mit dir ein Anliegen besprechen. Wann würde es dir passen?»
«Hast du dir schon überlegt, wie du … regeln/angehen willst?»
«Habt ihr euch schon Gedanken gemacht…?»
«Gerne würde ich mit euch zwei Themen besprechen. Es geht um .... Ist jetzt ein guter Moment oder wann wäre euch lieb?»
2) Nicht zu viel aufs Mal
Wenn wir ein Thema als Tabuthema betrachten, haben wir selber bereits ein mulmiges Gefühl, den Punkt anzusprechen. Für ältere Menschen ist das Thema möglicherweise noch schwieriger, sie sind nicht bereit dazu oder haben darüber noch gar nicht nachgedacht. Überfordern Sie Ihre Eltern nicht mit schwierigen Themen. Mit der Devise «Nicht zu viel aufs Mal» sind Sie gut beraten. Auch Sie profitieren davon: So können Sie Erkenntnisse aus vorangegangenen Diskussionen in das nächste Gespräch einfliessen lassen.
3) Beide Seiten sehen ihre Wahrheit
So wie es Ihnen wichtig ist, das Familienvermögen zu schützen, liegt Ihrer Mutter vielleicht sehr daran, niemals auf Kosten des Staates in einem Pflegeheim zu leben. Verschiedene Perspektiven und verschiedene Bedürfnisse gestalten die persönliche Wahrnehmung und damit die eigene Wahrheit. Was für Sie richtig ist, kann von Ihrer Mutter völlig anders wahrgenommen werden. Und umgekehrt.
Versuchen Sie, die Wahrnehmung Ihrer Eltern nachvollziehen zu können, zu verstehen und erläutern Sie Ihre eigene Perspektive.
Halten Sie fest, dass man sich auch neu entscheiden darf, selbst wenn man sich über sehr lange Zeit an einen Vorsatz gehalten hat.
Übrigens: Oft denken wir, dass wir die Gedanken des Gegenübers bereits kennen und deshalb den Gesprächsverlauf erahnen können. Und dabei vergessen wir, dass auch wir uns bewusst sein sollten, dass wir eine vorgefasste Meinung haben. Ideal ist, wenn wir uns unserer vorgefassten Meinung bewusst sind und versuchen, diese ebenfalls zu lockern.
4) Möglichst nicht persönlich nehmen
Die Situation mit alternden Eltern kann sehr herausfordernd sein und es sind viele Emotionen im Spiel. Zwischen den Eltern und ihren schon längst erwachsenen Kindern und auch zwischen Geschwister. Deshalb kann es für uns noch herausfordernder sein, möglichst auf der Sachebene zu diskutieren. Die Gefahr von persönlichen Angriffen ist gross.
Es kann sein, dass Eltern noch nicht bereit sind, ein Thema zu besprechen oder dieses noch ausblenden. In einem solchen Fall kann es rasch zu einer deutlichen Abwehrhaltung oder einer emotionalen Reaktion kommen. Auch wenn die Gesprächsaufnahme im ersten Anlauf scheitert, seien Sie sich bewusst, dass es um ein sachliches Thema geht und Sie die Reaktion nicht persönlich nehmen sollen.
Wenn Sie bei einer Diskussion feststellen, dass das Gespräch persönlich wird, machen Sie einen Schritt raus aus der Diskussion und gehen Sie auf Distanz. Denn eines ist sicher: Sobald zu viele Emotionen – in das Thema getragen wird, können Sie es nicht mehr sachlich besprechen.
5) «Ich bin in Sorge …» statt «du sollst...»
Worum geht es in Ihrem Gespräch? Sie möchten Ihre Eltern von etwas überzeugen, das Ihnen wichtig ist. Es ist gut möglich, dass für Ihre Mutter oder Ihren Vater das Thema keine Priorität hat. Seien Sie deshalb besonders ehrlich zu sich und zu Ihren Eltern. Sprechen Sie Ihre Bedenken aus, statt den Eltern zu sagen, was sie tun sollten. Sprechen Sie Ihre Gefühle aus, erläutern Sie Ihre Perspektive und vermeiden Sie Sätze, die mit «Du sollst…» beginnen.
So können Sie Ihre Gefühle ausdrücken:
«Ich habe Angst, dass…»
«Meine Sorge ist, dass…»
«Ich bin unsicher…»
«Es beschäftigt mich, …»
«Gedanken, die mir immer wieder in den Sinn kommen …»
«Mein Anliegen ist, dass es euch gut geht…»
«Ich bin in Sorge …»
«Ich wünsche mir …»
«Mir ist wichtig ...»
Stimmt Ihre Grundhaltung?
Zum Schluss unseres Gesprächs hebt Martina Bürki hervor, dass wir mit unserer wohlwollenden und fürsorglichen Grundhaltung den Gesprächsverlauf erfolgversprechend beeinflussen.
«Wer besserwisserisch, bestimmend, kritisch oder überheblich auf die Eltern zugeht, riskiert die Gefahr der ablehnenden Gegenreaktion. In diesem Fall heisst es zurück auf Feld Eins und eine wohlwollende Pause einlegen.»
Martina Bürki
Transaktionsanalytikerin CTA-C, psych. Beraterin, Supervisorin BSO und Coach
Martina Bürki arbeitet seit vielen Jahren in der Aus- und Weiterbildung für Piloten und Flight Attendants. Ihr Fokus liegt in der Erhöhung der Sicherheit durch Verhalten und Kommunikation. Diese Themen vermittelt sie auch in Spitälern, Kliniken und Blaulichtorganisationen. Als Mitglied in einem Care Team begleitet sie Menschen in akuter Krise nach ausserordentlichen, seelisch sehr belastenden Ereignissen. Sie gibt diverse Kurse für Männer und Frauen, die ihre eigenen Kommunikationsfähigkeiten entwickeln und ausbauen wollen. www.martinabuerki.ch